Die neue Ära der Nanny-Elternschaft und der Druck auf moderne Mütter
- Tiger Rudel Autorin
- 17. Sept.
- 4 Min. Lesezeit

Immer mehr Familien setzen auf Nannys, die nicht nur gelegentlich unterstützen, sondern die komplette Erziehung der Kinder übernehmen. Während früher eine Nanny oft eine helfende Hand war, die Eltern entlastete, gibt es heute eine zunehmende Zahl an Familien, in denen Mütter kaum noch eine aktive Rolle im Alltag ihrer Kinder spielen. Doch was bedeutet das für die Eltern-Kind-Beziehung? Und wie beeinflusst dieser Wandel unsere Gesellschaft?
Das Thema Nanny-Elternschaft wirft viele Fragen auf. In Großstädten und wohlhabenden Familien ist es längst normal, dass Kinder von einer oder mehreren Nannys rund um die Uhr betreut werden. Mütter sind oft mit beruflichen Verpflichtungen oder sozialen Erwartungen beschäftigt und verbringen wenig Zeit mit ihren Kindern.
Gleichzeitig herrscht ein gesellschaftlicher Druck auf Frauen, sowohl eine perfekte Mutter als auch eine erfolgreiche Karrierefrau zu sein. Dieser Spagat führt dazu, dass Mütter die Kinderbetreuung immer häufiger auslagern.
Eine aktuelle Studie des "Institute for Family Studies" zeigt, dass Kinder, die überwiegend von Nannys erzogen werden, oft eine schwächere emotionale Bindung zu ihren Müttern aufbauen. Das hat langfristige Folgen: Viele dieser Mütter berichten später von Schuldgefühlen und einer inneren Distanz zu ihren eigenen Kindern.
Wenn Mütter nicht mehr als Mütter gesehen werden
Ein Phänomen, das oft im Verborgenen bleibt, ist die Tatsache, dass viele Kinder ihre Nanny als primäre Bezugsperson wahrnehmen. Dies führt dazu, dass manche Mütter sich in ihrer eigenen Familie fremd fühlen. Sie sind physisch anwesend, aber in den entscheidenden Momenten des Alltags fehlen sie – sei es beim Trösten nach einem Sturz oder beim gemeinsamen Abendessen.
Viele Mütter geben dies ungern zu, weil es mit einem gesellschaftlichen Tabu behaftet ist. Wer gesteht schon freiwillig, dass das eigene Kind beim ersten Wort oder dem ersten Schritt die Nanny gerufen hat, anstatt "Mama"? Doch genau das passiert immer wieder.
Ein weiteres Problem: Wenn die Kinder älter werden und eine tiefere emotionale Bindung zur Nanny aufgebaut haben, kann es zu Verunsicherung und Loyalitätskonflikten kommen. Gerade in wohlhabenden Familien, in denen Nannys langfristig oder Tag-Und-Nacht angestellt sind, entsteht eine Konstellation, in der die Mutter irgendwann kaum noch eine Autoritätsperson ist – stattdessen übernimmt die Nanny diese Rolle.
Die idealisierte Mutterfigur – Eine Fantasie ohne echte Nähe
Während die tatsächliche Bindung zur Mutter oft schwach bleibt, wird den Kindern dennoch ständig vermittelt, wie "wunderbar" und "einzigartig" ihre Mutter sei. Dies führt dazu, dass Kinder eine fast übersteigerte Bewunderung für eine Mutterfigur entwickeln, die in ihrem Alltag kaum präsent ist. Sie hören immer wieder, dass ihre Mutter hart arbeitet, alles für sie tut und eine großartige Person ist – doch diese Erzählung basiert oft mehr auf Worten als auf realen Erlebnissen.
Diese Diskrepanz kann dazu führen, dass Kinder eine idealisierte, fast übermenschliche Vorstellung ihrer Mutter entwickeln, die mit der Realität wenig zu tun hat. Statt echter Nähe entsteht eine Form von emotionaler Sehnsucht, die Kinder dazu bringt, ständig nach der Aufmerksamkeit der Mutter zu suchen – oft vergeblich.
Was ist mit den Müttern, die wirklich alles geben, aber nicht können?
Während dieser Artikel sich auf wohlhabende Familien konzentriert, in denen die Kinderbetreuung weitgehend ausgelagert wird, gibt es eine ganz andere Realität für viele Mütter, die wirklich alles tun, um ihren Kindern eine gute Erziehung zu ermöglichen – jedoch mit finanziellen und zeitlichen Einschränkungen kämpfen.
Alleinerziehende oder berufstätige Mütter aus weniger privilegierten Verhältnissen stehen oft vor einer doppelten Belastung: Sie müssen arbeiten, um ihre Familie zu ernähren, und gleichzeitig versuchen, eine präsente und liebevolle Mutter zu sein. Doch ihnen fehlt die Wahl, ob sie eine Nanny einstellen oder zu Hause bleiben können.
Diese Frauen stehen unter enormem Druck und tun ihr Bestes, um ihren Kindern eine stabile Kindheit zu bieten – oft auf Kosten ihrer eigenen Erschöpfung. In diesen Familien ist Elternschaft nicht bloß eine gesellschaftliche Rolle, sondern eine tägliche Herausforderung, die mit viel Engagement gemeistert wird.
Hier zeigt sich ein klarer Unterschied zu wohlhabenden Kreisen: Während einige Familien oft bewusst wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen, weil andere Aufgaben oder Prestige wichtiger erscheinen, wünschen sich diese Mütter nichts sehnlicher, als mehr Zeit mit ihren Kindern zu haben – doch sie können es sich schlicht nicht leisten.
Wenn Kinder zum Statussymbol werden
Ein weiteres besorgniserregendes Phänomen ist, dass Kinder in manchen Kreisen zunehmend als Statussymbol betrachtet werden. In wohlhabenden Familien sind Babys nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern manchmal auch eine soziale Erwartung. Eine Familie mit Kindern passt ins perfekte Bild – doch die eigentliche Erziehungsarbeit wird an Angestellte abgegeben.
Dazu gibt es zahlreiche Beispiele aus prominenten Kreisen, aber auch aus dem Alltag vieler wohlhabender Familien. Babys werden in Designer-Kleidung präsentiert, ihre Geburt aufwendig gefeiert – doch sobald der Alltag einsetzt, übernehmen Nannys und Haushaltshilfen die Erziehung. Diese Kinder wachsen mit einem Gefühl der Entfremdung auf, weil ihre eigenen Eltern kaum am täglichen Leben teilnehmen.
Was wir daraus mitnehmen können
Elternschaft ist mehr als nur die biologische Verbindung zu einem Kind – sie erfordert aktive Teilnahme, emotionale Nähe und Zeit. Nannys können eine wertvolle Unterstützung sein, doch wenn sie die Hauptbezugsperson eines Kindes werden, verändert sich die Familienstruktur grundlegend.
Gesellschaftlich müssen wir uns fragen, welche Erwartungen wir an Mütter stellen und wie realistisch diese sind. Statt Frauen zu zwingen, zwischen Karriere und Mutterschaft zu wählen, sollten wir Wege finden, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern – ohne dass darunter die Bindung zwischen Eltern und Kind leidet. Denn am Ende zählt nicht, wer das Kind am besten betreut, sondern wer ihm bedingungslose Liebe, Orientierung und Stabilität bietet.
Neben der Auslagerung der Erziehung gibt es einen weiteren modernen Trend, der sich immer stärker durchsetzt: die Inszenierung von Elternschaft in der digitalen Welt. Während einige Mütter kaum Zeit mit ihren Kindern verbringen, tauchen sie in sozialen Medien als perfekte Eltern auf – mit gestellten Bildern, glücklichen Familienmomenten und idealisierten Darstellungen.
Doch was passiert, wenn Kinder nicht nur von Nannys großgezogen werden, sondern gleichzeitig zum Teil einer öffentlichen Online-Identität gemacht werden?
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