Sprachentwicklung in der Tagespflege
- Tiger Rudel Autorin
- 16. Juli
- 4 Min. Lesezeit

Sprache ist ein entscheidender Bestandteil der frühkindlichen Entwicklung. Die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes beeinflussen nicht nur seine Kommunikation, sondern auch seine kognitive und soziale Entwicklung.
Als Tagespflegeperson hast du eine Schlüsselrolle dabei, die Sprachentwicklung der Kinder zu fördern. Der Artikel beleuchtet die Bedeutung der Sprachförderung, bietet praktische Tipps und geht auf wissenschaftliche Erkenntnisse zur Sprachentwicklung ein.
Warum Sprache so wichtig für die kindliche Entwicklung ist
Sprache ist ein zentrales Mittel, durch das Kinder ihre Umwelt verstehen und mit anderen interagieren. Die frühe sprachliche Entwicklung hat langfristige Auswirkungen auf das Lernen, das Sozialverhalten und das emotionale Wohlbefinden. Studien zeigen, dass Kinder, die in den ersten Jahren eine reichhaltige sprachliche Umwelt erleben, später in der Schule und im sozialen Leben besser abschneiden.
Dies liegt daran, dass Sprache nicht nur für den Austausch von Informationen, sondern auch für das Denken und Problemlösen von Bedeutung ist.
In den ersten Jahren eines Kindes geschieht die Sprachentwicklung besonders schnell. Bereits mit 6 Monaten können Babys einfache Laute und Silben imitieren, und mit 2 Jahren beginnen sie, einfache Sätze zu bilden.
Doch wie genau wird Sprache im Gehirn verarbeitet, und wie kannst du als Tagespflegeperson aktiv zur Förderung der Sprachentwicklung beitragen?
Wissenschaftliche Grundlagen zur Sprachentwicklung
Die Sprachentwicklung beginnt schon in der Schwangerschaft, wenn das Baby im Mutterleib die Stimme der Mutter hört. Nach der Geburt nehmen Kinder über ihr Gehör wichtige sprachliche Informationen auf, die sie dann zu Lauten und später zu Wörtern verarbeiten. Es gibt zwei Hauptphasen der Sprachentwicklung:
Phonologische Phase (0–2 Jahre): In dieser Phase lernen Kinder, Laute zu imitieren und zu unterscheiden. Sie entwickeln ihr Verständnis für die Lautstruktur der Sprache, auch wenn sie noch nicht sprechen.
Semantische Phase (2–4 Jahre): In dieser Phase lernen Kinder, Wörter mit Bedeutungen zu verknüpfen und beginnen, diese in einfachen Sätzen zu verwenden.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Kinder in den ersten Lebensjahren besonders empfänglich für die sprachliche Umwelt sind. Je mehr Wörter und Sätze sie hören, desto schneller entwickeln sie ihre sprachlichen Fähigkeiten. Besonders wichtig ist, dass Kinder in dieser Phase aktiv in Gespräche einbezogen werden, auch wenn sie noch nicht selbst sprechen können.
Praktische Tipps für die Sprachförderung im Alltag
Als Tagespflegeperson kannst du die Sprachentwicklung auf vielfältige Weise unterstützen. Hier sind einige praktische Tipps, die du im Alltag umsetzen kannst:
Sprich viel mit den Kindern
Kinder lernen Sprache vor allem durch Hören und Nachahmen. Je mehr du mit ihnen sprichst, desto besser wird ihre Sprachentwicklung gefördert. Dabei ist es wichtig, nicht nur einfache Sätze zu verwenden, sondern auch neue und komplexere Wörter einzuführen.
Beschreibe alles, was du tust, zum Beispiel: „Jetzt räume ich die Spielsachen auf. Das Auto kommt in die Kiste.“ Diese einfache Sprachförderung stärkt das Wortverständnis der Kinder.
Wiederholung von Wörtern und Sätzen
Wiederholung ist ein wichtiger Bestandteil der Sprachförderung. Wenn ein Kind ein neues Wort gelernt hat, wiederhole es regelmäßig. Zum Beispiel: „Ja, das ist ein Hund. Der Hund bellt. Hörst du, wie der Hund bellt?“
Diese Wiederholung hilft dem Kind, neue Wörter zu festigen und in unterschiedlichen Kontexten zu verwenden.
Erweiterung von Aussagen
Wenn ein Kind einen einfachen Satz sagt, erweitere ihn, um neue sprachliche Strukturen einzuführen. Wenn ein Kind sagt: „Auto“, kannst du antworten: „Ja, das ist ein rotes Auto, es fährt schnell.“ Diese Erweiterung fördert das Verständnis von Satzstrukturen und hilft, die Sprachkompetenz des Kindes zu erweitern.
Förderung von Fragen und Gesprächen
Kinder sind von Natur aus neugierig und stellen viele Fragen. Nimm dir die Zeit, diese Fragen ausführlich zu beantworten. Wenn ein Kind fragt: „Warum ist der Himmel blau?“, könntest du sagen: „Der Himmel ist blau, weil das Licht der Sonne sich in der Luft bricht und blaue Wellen am stärksten sind.“
Das Fördern von Fragen und das Anregen zu Gesprächen stärkt das Sprachverständnis und die Ausdrucksfähigkeit der Kinder.
Die Bedeutung von Vorlesen und Erzählen
Vorlesen ist eine der effektivsten Methoden zur Sprachförderung. Studien haben gezeigt, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, einen größeren Wortschatz entwickeln und besser verstehen, wie Sprache funktioniert. Achte darauf, dass du altersgerechte Bücher auswählst, die die Fantasie anregen und gleichzeitig den Wortschatz erweitern.
Vorlesen: Achte darauf, beim Vorlesen langsamer zu sprechen und auf die Bilder im Buch hinzuweisen. Stelle Fragen zu den Bildern, um das Kind zu ermutigen, selbst zu erzählen und nachzudenken.
Erzählen von Geschichten: Ermutige Kinder, ihre eigenen Geschichten zu erfinden. Das stärkt nicht nur das Sprachgefühl, sondern fördert auch die Kreativität und das Selbstbewusstsein.
Interaktive Sprachspiele und Lieder
Lieder und Reime sind eine tolle Möglichkeit, Kinder in die Sprachentwicklung einzubeziehen. Sie helfen dabei, Sprachrhythmen und -strukturen zu erkennen und die Sprachwahrnehmung zu schärfen.
Lieder: Kinder lieben es, Lieder zu singen. Beliebte Lieder wie „Alle meine Entchen“ oder „Häschen in der Grube“ fördern die Sprachrhythmen und das Sprachverständnis.
Sprachspiele: Spiele wie „Ich sehe was, was du nicht siehst“ oder „Wortassoziationen“ sind eine großartige Möglichkeit, den Wortschatz zu erweitern und gleichzeitig Spaß zu haben.
Umgang mit mehrsprachigen Kindern
In immer mehr Haushalten wird eine zweite Sprache gesprochen. Auch in der Tagespflege kann es sein, dass du Kinder betreust, die mehrere Sprachen sprechen. Es ist wichtig, die sprachliche Entwicklung in beiden Sprachen zu unterstützen:
Konsequenz bei der Sprache: Wenn ein Kind zu Hause mit einer Sprache und in der Tagespflege mit einer anderen Sprache in Kontakt kommt, ist es wichtig, in jeder Umgebung konsequent die gleiche Sprache zu sprechen. Dies hilft dem Kind, zwischen den Sprachen zu unterscheiden.
Geduld: Mehrsprachige Kinder benötigen mehr Zeit, um beide Sprachen zu entwickeln. Sei geduldig und unterstütze das Kind in beiden Sprachen.
Fazit
Die Sprachentwicklung ist ein fortlaufender Prozess, der durch gezielte Maßnahmen gefördert werden kann. Als Tagespflegeperson kannst du durch regelmäßige Gespräche, Vorlesen, Spielen und gezielte Sprachförderung einen erheblichen Beitrag zur sprachlichen Entwicklung des Kindes leisten.
Dabei ist es wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes einzugehen und den Spracherwerb in einem positiven und anregenden Umfeld zu unterstützen.
Quellen:
Braun, M., & Löffler, L. (2019). Sprachförderung im Kindesalter: Grundlagen und praktische Ansätze. München: Elsevier Verlag.
Eichhorn, A. (2021). Sprachentwicklung bei Kindern: Was Pädagogen wissen müssen. Berlin: Springer Verlag.
National Institute for Early Education Research (NIEER). (2020). Language Development and Learning in Early Childhood. Rutgers University Press.
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